Kommt der leere Pizzakarton in den Papiermüll oder in den Restmüll? Oder doch in den gelben Sack? Und muss ich meinen Joghurtbecher ausspülen, bevor ich ihn entsorge? Diese Fragen führen in so manchem deutschen Haushalt immer wieder zu Diskussionen. Mithilfe der Mülltrennung sowie dem anschließenden Recycling und Kompostieren werden in Deutschland seit 31 Jahren Ressourcen geschont und die Umwelt geschützt.
Rubina und der Müll
Nicht so in Pakistan. Rubina (25) lebt in einem Slum und arbeitet hart, um genug Geld für sich und ihre drei Kinder zu verdienen. Javed (9) ist Rubinas ältester Sohn und ist mit einer Behinderung zur Welt gekommen. Er ist deshalb gesundheitlich besonders anfällig. Sie muss ihn regelmäßig mit dem Taxi ins Krankenhaus bringen, weil seine Atmung so schlecht ist. Einer der Gründe: Müll.
Da es in ihrem Slum keine Müllabfuhr gibt, sammelt sich der Müll vor Rubinas Haustür und verbreitet Krankheiten wie Cholera. Die Müllberge werden regelmäßig verbrannt, wobei giftige Dämpfe freigesetzt werden, die zu Atemproblemen führen. Rubina macht sich große Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder und hat Mühe, die Arztrechnungen zu bezahlen. Drüber hinaus berichtet Rubina, dass sich ihr jüngerer Sohn im Alter von drei Jahren beim Spielen im Müll schwer verletzt hat. Für Menschen, die ohnehin bereits in Armut leben, stellen die Müllberge ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zu einem Leben in Würde dar.
Die Müllsituation in Pakistan
Nach öffentlichen Angaben werden nur 50-60% der Müllabfälle auf offiziellen Halden gelagert. Moderne Deponietechnik? Fehlanzeige! Sondermüll wird selten getrennt oder fachgerecht beseitigt. Und das bei jährlich etwa 20 Millionen Tonnen Haushaltsmüll, der die Straßen Pakistans zur Müllhalde werden lässt. Eine funktionierende Entsorgungswirtschaft steht wortwörtlich in den Kinderschuhen: In dem Land, in dem fast ein Drittel der Bevölkerung in Armut lebt, sammeln in erster Linie Kinder wiederverwertbare Gegenstände wie Glas, Plastikflaschen, Dosen oder Metall. Im Anschluss werden diese dann an Schrotthändler oder Firmen weiterverkauft.
Warum der Müll in Pakistan auch unser Problem ist
Ob sich unter der riesigen Müllhalde ein schöner Strand verbirgt, weiß keiner so genau. Die gigantischen Mengen an Müll übersäen nicht nur ganze Landschaften, sondern auch Teile des Meeres. Die Einwohner werfen ihren Müll einfach in den nahegelegenen Fluss. Von dort aus bahnt dieser sich seinen Weg ins Meer, blockiert unterwegs Flussmündungen und sorgt somit für Überschwemmungen – der perfekte Nährboden für Fliegen, Mücken und Ratten, die wiederum dafür sorgen, dass Krankheitserreger das Leben von besonders schwachen Menschen bedrohen.
Ein weiteres Problem: Was nicht verrottet, landet entweder als Plastikmüll im Meer, wo es sich über über die Jahre zu Mikroplastik zersetzt. Dieses wird von Fischen aufgenommen und landet später bei uns in Deutschland im Kühlregal. Na dann, guten Appetit!
Oder es wird verbrannt: Die giftigen Dämpfe unkontrollierter Müllverbrennungen durchziehen ganze Stadtteile. Erneut sind es besonders Kinder, schwangere Frauen oder alte Menschen, denen die Gase langfristige gesundheitliche Schäden zufügen. Was also tun?
Aus Müll wird Dünger – Ein Projekt von Tearfund
Das große Ziel: Müll zu Dünger verwandeln und gleichzeitig Menschen in Armut eine Perspektive bieten. Daran arbeitet „Hariyali Hub“ (übersetzt: Grünes Zentrum), ein Pilotprojekt in Pakistan und ein gemeinwohlökonomisches Sozialunternehmen, das vom christlichen Hilfswerk Tearfund zusammen mit einem lokalen Partner in Karachi, der zweitgrößten Stadt Pakistans, gegründet wurde. Damit besonders die Menschen in Slums nicht im Müll versinken, wird hier an einer innovativen Lösung gearbeitet, die schon bald in weiteren Regionen Pakistans umgesetzt werden soll.
Jeder neu gegründete Hub bedeutet, dass 25 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Diese Personen kommen in erster Linie aus Slums und erhalten durch das Projekt eine Zukunftsperspektive. Ihr Job besteht darin, Müll zu sammeln und diesen anschließend zu trennen. Der Hub stellt Maschinen zur Verfügung, die den Müll behandeln und recyceln.
Vorläuferprojekte zeigen, dass auf diese Weise 80-90% des Mülls recycelt werden und dabei unter anderem zu fruchtbarem Dünger umgewandelt werden kann. Der Verkauf der auf diese Weise hergestellten Produkte sorgt dafür, dass sich der Hub nach kürzester Zeit wirtschaftlich selbst trägt. Der Müll, der nicht wiederverwertet werden kann, wird ordnungsgemäß zu einer regulären Mülldeponie außerhalb der Stadt gebracht.
Die Gründung solcher Recyclingzentren verbessert die Lebensbedingungen für Menschen wie Rubina, ermöglicht Kindern das Aufwachsen in einer saubereren und sichereren Umgebung und schafft Arbeitsplätze für Menschen in Armut.
Ist dieses Projekt ein Tropfen auf den heißen Stein?
Klar ist: Um das riesige Müllproblem in einzelnen Slums und Stadtteilen Pakistans in den Griff zu bekommen, braucht es mehr als innovative Recyclingzentren. Nötig ist ein langfristiges Umdenken der Menschen. Es braucht das Bewusstsein, dass Müll und die Müllverbrennung Menschenleben bedrohen und die Natur zerstören.
Als christliches Hilfswerk verfolgt Tearfund einen sehr außergewöhnlichen Ansatz: Gemeinsam mit christlichen Kirchen, Ehrenamtlichen und Pastoren klärt die Organisation über dieses Problem auf und erreicht so sehr viel mehr Menschen mit dieser „guten Botschaft“. Für diesen Zweck wurden bereits probeweise kleine animierte Videos erstellt, die Pastor Amir Shahzad der St. Lukas Kirche in Karachi in seinem Gottesdienst gezeigt hat. Er berichtet begeistert von den positiven Reaktionen der Gemeindemitglieder und möchte diese Erklärvideos auch außerhalb des Gottesdienstes verwenden.
Wenn das mal keine Kirche ist, die Gottes Schöpfung liebt! Oder wann hast Du das letzte Mal im Rahmen einer Predigt etwas über das Müllproblem unserer Gesellschaft erfahren?
Noch ein kleiner Ausblick…
Seit dem 01.01.2021 gelten verschärfte Regeln, welcher Müll aus der EU in Länder wie Pakistan exportiert werden darf… wird aber auch Zeit!