Vertrocknetes Land, oder: wie ein Liedtext entstand
Gemeinsam mit Hans Werner Scharnowski ist ein neues Lied entstanden. Doch wie es zu dem Liedtext gekommen ist, schildert Uwe Heimowski in diesem Blogeintrag.
Drei Frauen balancieren schwere Säcke auf dem Kopf. Immer wieder fasziniert mich, mit welcher Eleganz sie schwere Lasten tragen. Doch die Landschaft, vor der sie sich bewegen ist ein Bild des Jammers. Sie durchqueren ein Maisfeld, die Pflanzen sind verdorrt, bevor sie reif werden konnten. Die Ernte in diesem Jahr fällt aus.
Kwach, Landwirt und Mitarbeiter von Tearfund im Südsudan, legt sein Gesicht in Falten und erklärt mir: „Seit ein paar Jahren verschiebt sich die Regenzeit immer weiter nach hinten. Wenn wir den Mais zu früh anbauen, verdorrt er.“
„Warum baut ihr dann nicht später an?“
„Weil nicht genau wissen, wann es regnet. Wenn wir zu spät sind, steht der Mais im Wasser, das der harte Boden nicht aufnehmen kann, und dann verfaulen die Pflanzen. Der Klimawandel hat alles durcheinandergebracht.“
„Und was machen die Menschen, wenn die Ernte ausfällt?“
„Sie hungern. Die Frauen kochen Halme und Schalen aus. Viele Familien flüchten über die Grenze nach Äthiopien.“
Eine erste Liedzeile entsteht
Abends sitze ich in meinem Quartier und mache mir Notizen. Ich bin in einer mit Lehm verputzten Hütte auf dem geschützten Gelände von Tearfund in Pochalla untergebracht. Es ist schon dunkel, aber immer noch heiß. Ein Generator erzeugt Strom, eine Glühbirne erhellt den Raum, ein Ventilator durchschneidet gemächlich die Luft. Ich mache mir Notizen über den Tag. Plötzlich formen sich meine Gedanken zu einem Reim, eine Liedzeile entsteht:
„Der Boden versteinert, von der Sonne verdorrt; was früher ein Feld war, ein verwüsteter Ort.“ Weiter komme ich nicht, ich fange an zu beten: „Herr, erbarme dich. Bitte greif ein. Herr erbarme dich.“ Nach einer Weile beginne ich mein Gebet aufzuschreiben. Wäre dieses Gebet nicht ein passender Refrain für einen Text über Dürre und Armut? Die Menschen hier sind intensive Beter. Lautstark singen sie Loblieder, nicht weniger laut formulieren sie ihre Klagen. Je weniger sie besitzen, desto mehr erwarten sie von Gott. Und bevor sie eine Bitte um materielle Unterstützung formulieren, fragen sie die Besucher aus Deutschland: „Könnt ihr für uns beten?“
„Herr, zeig Erbarmen, belebe das Land; Herr sieh die Armen, strecke aus deine Hand.“
Von Abhängigkeiten und Lösungen
Am nächsten Tag führt Kwach uns zu einem anderen Feld. Hier wird eine Form von Hirse angebaut. Ein traditionelles, aber in Vergessenheit geratenes Getreide im Südsudan. Leider ist es eine traurige Wahrheit: Die Geldgeber in der Entwicklungszusammenarbeit haben viele Jahre vor allem auf Mais gesetzt – und die traditionellen Getreidesorten zurückgedrängt. So wie das Stillen durch die Flasche ersetzt wurde: das Milchpulver ist ein großer Markt für westliche Produzenten.
Kwach und seine Kollegen schulen eine Gruppe von Farmern, die diese Hirse wieder anbauen. Der Boden muss anders bearbeitet werden, die Pflanzen bewässert und von Ungeziefer befreit werden. Das ist harte Arbeit, und es gibt viel zu lernen. Aber sie lohnt sich: Das Getreide ist gegenüber den Klimaschwankungen resistent. Die Menschen lernen wieder von ihrer Hände Arbeit zu leben. Ich bin beeindruckt.
Abends blättere ich noch einmal in meinem Notizbuch. Die Not der Menschen springt mir aus meiner eigenen Zeile entgegen. Mehrere Gefühle sind im gleichen Moment in mir: Wut, weil die Dürre und der Hunger so oft von Menschen gemacht werden. Ich ergänze eine Zeile:
„Die Menschen verzweifelt, weil das Leben sie hasst.“
Zu hart formuliert? Nein, leider nicht, sondern bittere Realität.
Abb: Uwe Heimowski gemeinsam mit Kwach und einem weiteren Tearfund Mitarbeiter
Eine Gebetserhörung
Und zugleich fühle ich eine Art Stolz und ein wenig Ehrfurcht darüber, dass ich hier miterleben darf, wie Kwach und die anderen Kollegen etwas Neues aufbauen und Hoffnung spenden. Sie sind, wir sind, ich bin nicht weniger als Teil einer Gebetserhörung: Gottes Erbarmen wird für die Farmer in Pochalla konkret erfahrbar.
Es vergehen einige Wochen. Der Text begleitet mich. Ich ändere hier ein Wort, ergänze dort eine Zeile. Schließlich schicke ich ihn an Hansi Scharnowski. Der macht sich an die musikalische Umsetzung, er komponiert und arrangiert. Als ich seine Demo-Version zum ersten Mal höre, bekomme ich eine Gänsehaut, so berührt bin ich. Gemeinsam basteln wir noch an paar Formulierungen, schließlich nimmt er das Lied auf.
Hier ist es. Mein Gebet ist, dass „Vertrocknetes Land“ Kreise zieht und viele Herzen öffnet. Die Menschen in Armut brauchen uns. Unser Gebet und unsere Solidarität.