Blog
August 2024
Kimberly Schuster
Projektmitarbeiterin
„Youth for Justice”

Glaube.Klima.Hoffnung

Was denken Christinnen und Christen über Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit?

Die Ge-Na Studie

Was denken Christinnen und Christen über soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit? Welche Rolle spielen die Themen in unseren Gemeinden? Und welche theologischen Überzeugungen und Einstellungen haben Christinnen und Christen dazu?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen hat sich ein Team des Forschungsinstituts empirica an der CVJM Hochschule Kassel ausführlich beschäftigt. Dazu haben sie in der Ge-Na Studie (Gerechtigkeits- und Nachhaltigkeitsstudie) über 2.500 hochreligiöse¹ Christinnen und Christen aus Deutschland und der Schweiz befragt.

Wir haben mit Anna-Lena Moselewski, der Co-Leiterin der Studie, über die Ergebnisse gesprochen.

¹ Eine hochreligiöse Person zeichnet sich dadurch aus, dass der Glaube im Zentrum ihres Lebens steht und ihre Lebensgestaltung stark prägt.

Wie hältst Du es mit Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit?

„Ich war überrascht über die Deutlichkeit der Ergebnisse […] und, dass für so viele Menschen die Themen erstmal grundlegend ein Anliegen sind.“

Die Themen sind angekommen! Soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit sind den Befragten wichtig und das, weil ihr Glaube sie dazu ermutigt. Im privaten Umfeld setzen sich viele Christinnen und Christen für soziale Gerechtigkeit ein, v.a. durch Spenden, beim bewussten Einkaufen oder im Gespräch mit Familie und Freunden.

Auch Nachhaltigkeit ist für viele ein wichtiges Anliegen. Fast alle (90%) befürworten den Schutz der Natur, weil sie von Gott geschaffen wurde.

Und etwa zwei Drittel wünschen sich, dass Nachhaltigkeit im christlichen Glauben ein wichtigeres Thema wird.

Das Bewusstsein für die Wichtigkeit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit ist also unter Christinnen und Christen hoch. Aber…?

„Es gibt eine Lücke zwischen dem, was man wollen würde und dem, was man dann am Ende tut.“

Diese Lücke nennt man auch den Knowledge-Action Gap. Selbst wenn das Bewusstsein über die Relevanz der Themen hoch ist, fällt es uns oft schwer, den Schritt vom Persönlichen ins Gesellschaftliche zu tun – also wirklich aktiv zu werden.

Die Ge-Na Studie zeigt aber auch, dass dies nicht so bleiben muss, sondern dass der Glaube und die eigene Glaubenspraxis, dazu motivieren können, sich zu engagieren und sich gerechter bzw. nachhaltiger zu verhalten.

„Die Menschen, die es schaffen auch in ihrem geistlichen Leben, in ihrer Spiritualität diese Themen zu verankern, die verhalten sich auch nachhaltiger und bringen sich gesellschaftlich mehr ein.“

Christinnen und Christen, die das Thema Nachhaltigkeit mit ihrer eigenen Glaubenspraxis verbinden, verhalten sich nachhaltiger.

Erfahrungen der Schönheit, der Verbundenheit, aber auch der Zerbrochenheit in der Natur – Wortwörtlich „geerdet“ zu sein – Gott in der Schöpfung zu begegnen,  das Gefühl in ein größeres Ganzes eingebettet zu sein.

Das erleben viele Christinnen und Christen und es ermutigt sie dazu, sich für den Schutz der Schöpfung einzusetzen.

Kurz gesagt: Je wichtiger Schöpfungsspiritualität, desto nachhaltiger das Verhalten und desto höher das gesellschaftliche Engagement.

Was treibt Dich an?

Christinnen und Christen nehmen soziale Gerechtigkeit als ein zentrales theologisches und biblisches Thema wahr. Für die Mehrheit der Befragten ist der Einsatz für soziale Gerechtigkeit zentraler Bestandteil ihres Glaubens.

Aber wie sieht es mit Nachhaltigkeit aus?

„Ich glaube mit der Bibel ist es erstmal leichter, das große Thema soziale Gerechtigkeit zu begründen und sich gegen Armut und gegen Hunger einzusetzen, als jetzt ganz explizit das Thema ökologische Nachhaltigkeit. Auch wenn das definitiv einen biblischen Bezug hat.“

Was entscheidet also darüber, wie sich Christinnen und Christen zu Nachhaltigkeit positionieren? Ist es das Bibelverständnis?

Tatsächlich hat das Bibelverständnis keine signifikanten Auswirkungen auf die Einstellungen zu ökologischer Nachhaltigkeit.

Entscheidend sind vielmehr das Gottesbild und die eschatologischen Überzeugungen. Also die Antworten auf die Frage, was am Ende mit dieser Welt und diesem Planeten passiert. Gehe ich davon aus, dass diese Welt vergeht und Gott eine neue schaffen wird?

Oder erwarte ich die Erneuerung und vollständige Wiederherstellung dieser Welt?

Die Ge-Na Studie hat gezeigt, dass sich die Vorstellung einer Neuschaffung der Welt negativ auf nachhaltiges Verhalten auswirkt. Also, je eher eine Person glaubt, dass Gott eine gänzliche neue Welt schafft, anstatt, die bestehende zu erneuern, desto weniger zeigt er oder sie ökologisch nachhaltiges Verhalten.

Kommen die Themen in unseren Gemeinden vor?

„Wir müssen das Innerste unseres Glaubens mit diesen Themen verknüpfen, aber die Frage ist noch das große Wie. Nicht das Warum, das haben wir geklärt. Aber das Wie. Ganz konkret, wie kann das in der Gemeinde aussehen?“

Ein hoher Anteil der Befragten befürwortet, dass sich Kirche und Gemeinden für Nachhaltigkeit einsetzt, weil es unser Auftrag ist, die Schöpfung zu bewahren.

Trotzdem kommt das Thema Nachhaltigkeit in unseren Gemeinden insgesamt weniger vor als soziale Gerechtigkeit.

Wenn Nachhaltigkeit in Gemeinden thematisiert wird, dann überwiegend in persönlichen Gesprächen oder in der Predigt. In anderen Gottesdienstelementen, wie der Fürbitte, oder in der Liturgie, z.B. beim Abendmahl kommt Nachhaltigkeit kaum vor.

Am wenigsten wird das Thema in zielgruppenspezifischen Angeboten, z.B. in Hauskreisen, Jugendgruppen oder anderen Kleingruppen angesprochen. Auch im Lobpreis wird Nachhaltigkeit bisher wenig thematisiert. Und das, obwohl Lobpreis für viele (junge) Menschen ein zentrales glaubensstärkendes Element ist.

„Es gibt ganz viel Potenzial […] v.a. in Kleingruppenangeboten und in geistlichen Angeboten. Und ich denke, das ist etwas, womit wir uns als Gemeinden beschäftigen müssen.“

Das Potenzial der Gemeinden liegt darin, Menschen eine theologische Fundierung für diese Themen anzubieten, Austausch zu fördern und Schöpfungsspiritualität zu stärken, um Christinnen und Christen für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit zu begeistern.

Das Forschungsteam fasst es im Kurzbericht zur Ge-Na Studie so zusammen: „Hier zeigt sich eine transformative Kraft, um Christinnen und Christen aus ihren christlichen Überzeugungen heraus zu ermutigen, sich für eine Veränderung in der Gesellschaft, gegen die Klimakrise und für mehr Zusammenhalt einzusetzen. Diese Chance muss, insbesondere auch in Gemeinden, noch stärker genutzt und gefüllt werden. Was bleibt sind also: Glaube. Klima. Hoffnung. Für eine versöhnte Welt.“