Pakistan: das „Land der Reinen“

Pakistan: Transport von Wasser über das Land

Aktuelle Herausforderungen in Pakistan

Pakistan, das „Land der Reinen“ (so die Bedeutung des Namens), ist das Zuhause von 217 Millionen Menschen, 97 Prozent von ihnen muslimischen Glaubens. Pakistan ist eines der wenigen Länder, das sich auf die Religion gründet. Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion und enthält gesetzliche Bestimmungen in Übereinstimmung mit den Verfügungen des Koran und der Sunna. Gleichzeitig ist es wichtig, auch die Minderheitenreligionen, Hindus, Sikhs und Christen zu erwähnen. Sie leisteten einen wichtigen Beitrag zur Staatsgründung und waren maßgeblich an der Entwicklung Pakistans beteiligt. Einige der von Missionaren gegründeten Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen waren Pioniere für öffentliche Dienstleistungen überall in Pakistan. Leider sind ihr Engagement und ihre Leistungen sowie ihre Protagonisten im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten.

Das „Land der Reinen“ hat heute viele Herausforderungen zu meistern.

Mangelhafte Wasser- und Sanitärversorgung

Im Jahr 2016 war Pakistans Human Development Index (HDI) mit 0,550 niedriger als der HDI des nahe gelegenen Bangladesch (0,579), das bis 1971 ein Teil Pakistans war. Pakistan gehört zu den zehn Ländern mit dem größten Anteil an Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser: 21 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser in der Nähe ihrer Häuser; 90 Prozent des Wassers wird dem Boden entnommen; vier von zehn Schulen haben kein Trinkwasser. 79 Millionen Menschen besitzen keine angemessene Toilette und 11,5 Prozent der Bevölkerung erledigt die menschliche Notdurft im Freien.

Folgen des Klimawandels

Der Klimawandel und die globale Erderwärmung wirken sich in mehrfacher Weise auf Pakistan aus. So sind beispielsweise durch das Abschmelzen der Gletscher im Himalaya die Abflussmengen der wichtigsten Flüsse in Pakistan in Gefahr. In Pakistan werden die Auswirkungen des Klimawandels aller Wahrscheinlichkeit nach einen Einfluss auf das Leben von Millionen von Menschen haben. Pakistan belegt Rang 8 in der Liste der zehn Länder, die in den letzten zwanzig Jahren (1998–2017) am stärksten vom Klimawandel betroffen waren.

Misstrauen und Gewalt

Die vielfältige und lebendige Kultur, die Gastfreundschaft, die Sehenswürdigkeiten, die majestätischen Berge, die satten Weiden, die einzigartige grüne Wüste und der Küstengürtel machen Pakistan zu einem idealen Ort für Touristen. Aber durch die Auswirkungen des Anti-Terror-Krieges, gewaltsame Übergriffe und extremistische Gruppen ist das Land davon abgekommen, in Verbesserungen für das Leben seiner Bürger zu investieren. Leider ist bei dem Versuch, den Terrorismus zu bekämpfen, eine Kluft zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens entstanden. Dies hat zu Misstrauen und gewalttätigen Angriffen gegenüber religiösen Minderheiten geführt, häufig in Form von Mob-Überfällen. Diese Selbstjustiz durch Bürgerwehren hat das Bild Pakistans, dem Land der Reinen, getrübt.

Tearfund Deutschland in Pakistan

Tearfund Deutschland hat sich im August 2000 in Pakistan registriert. Mit lokaler Unterstützung wurden Büros in den vier Provinzen eingerichtet. Tearfund Deutschland begann in einigen der am schwersten zugänglichen und unterentwickelten Gebiete mit integrativen Programmen zur Wasser-, Bildungs-, und Gesundheitsversorgung sowie zur Sicherung der Existenzgrundlage. Diese Gebiete haben mit hohen Analphabetenraten zu kämpfen und sind besonders verwundbar von Naturkatastrophen. Die Auslandsexperten von Tearfund Deutschland konzentrierten sich darauf, die lokalen Gemeinden zu stärken und gleichzeitig ihre Kultur wert zu schätzen. Genau diese Vorgehensweise war 2013 erfolgreich, als die Regierung Pakistans, bedingt durch interne und externe Sicherheitsangelegenheiten, viele ausländische Experten auswies. Die Projekte von Tearfund Deutschland in Pakistan konnten an ein vor Ort ausgebildetes und erfahrenes Team übergeben werden.

Verbesserung der Sanitärversorgung

Tearfund Deutschland begann im südlichen Punjab mit der umfassenden Einrichtung von sanitären Anlagen. Dabei wurde mit lokalen Autoritäten, religiösen Führern, Schulen, Unternehmern, Politikern und Gemeindemitgliedern – Frauen eingeschlossen – zusammengearbeitet. Es ging darum,

  • die Praxis der Verrichtung der Notdurft im Freien zu stoppen,
  • Handwaschgelegenheiten zu errichten,
  • die lokalen Gemeinden beim Bau von kostengünstigen, umweltfreundlichen Latrinen zu unterstützen,
  • mit „WASH Clubs“ die Gemeinden für die Vorzüge von Haushaltslatrinen und Gemeindelatrinen für Frauen und Mädchen zu sensibilisieren.

Mit unseren Partnern errichteten wir außerdem Wasserhandpumpen, Wassertanks und legten Wasserleitungen, mit denen Wasser mithilfe der Schwerkraft transportiert werden kann. Trotzdem gibt noch sehr viel mehr zu tun! In vielen Gebieten Pakistans leiden die Menschen immer noch unter dem fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser und müssen sich häufig mit Kühen die Wasserstellen teilen.

Gemeinsam für mehr Toleranz im „Land der Reinen“

Gleichzeitig hat Tearfund Deutschland mit seinen lokalen Partnern eine religionsübergreifende Netzwerkinitiative gestartet. Sie soll dazu beitragen, die Kluft zwischen den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften zu überwinden, die Zusammenarbeit an gemeinsamen Konfliktlösungen zu fördern und ein Umfeld zu schaffen, in dem Armut, Intoleranz und Gewalt reduziert werden. Diese geschlechterübergreifenden „Faith-Friend-Groups“ werden von religiösen Führungspersönlichkeiten aus den Gemeinden geleitet. Die Gruppen fördern gegenseitige Akzeptanz, Toleranz und Verantwortung. Sie bestärken die Gemeindemitglieder darin, an den religiösen Festen der Menschen anderen Glaubens teilzuhaben und so die religiösen Praktiken und den Glauben der anderen besser zu verstehen.

Diese Gruppen treffen sich mit den lokalen Gemeindeautoritäten und diskutieren ihre Angelegenheiten. Frauen und Jugendliche sind ebenfalls ein integraler Bestandteil dieser Gruppen. Die Frauen- und Jugendgruppen arbeiten auf der Ebene der lokalen Haushalte an der Förderung von interreligiöser Harmonie. Sie organisieren Sommercamps, Sportveranstaltungen, kurze Lebenskompetenzkurse und gemeinsame Feiern. Diese Veranstaltungen finden meist in den Gemeindezentren oder religiösen Zentren statt, wo sich Menschen aller Glaubensrichtungen treffen.

Zu Beginn gab es Widerstände, besonders von den religiösen Führern, die fürchteten, dass diese Aktivitäten sie in eine schwierige Situation bringen würden. Diese Angst gründete sich auf der Befürchtung, dass die Faith-Friend-Groups nicht wirklich funktionieren könnten und die Mitglieder den Respekt bei ihren eigenen Glaubensgemeinschaften wie auch das Vertrauen der Regierungsstellen verlieren könnten.

Die Frauen hatten kulturelle Barrieren zu überwinden. Sie mussten ihre Häuser verlassen und mit Angehörigen anderer Glaubensgruppen interagieren. In einer konservativen Gesellschaft ist das eine große Herausforderung, die aber die meisten weiblichen Freiwilligen meisterten.

Jugendliche, die daran gewöhnt waren, negative Dinge über andere Glaubensgemeinschaften erzählt zu bekommen, erhielten nun die Gelegenheit zum Umgang mit Angehörigen anderen Glaubens und konnten aus erster Hand etwas über andere Religionen und deren Praktiken und Inhalte erfahren. Einige der Jugendgruppen starteten außerdem kostengünstige Projekte wie Straßenreinigung, unentgeltlicher Unterricht oder Sportveranstaltungen. Diese Aktivitäten halfen, die Beziehungen zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften zu stärken und das friedliche Zusammenleben zu unterstützen. Außerdem entwickelten die Gruppen konkrete Entwicklungsprogramme auf lokaler Ebene und führten diese dann auch durch – ein Schritt der den Zusammenhalt und den Frieden in den Gemeinden stärkte und sie zu „gesünderen“ Gemeinschaften machte.

Tearfund Deutschland glaubt, dass noch viel mehr solcher Initiativen in anderen Teilen Pakistans gebraucht werden – Initiativen die das wahre Gesicht des „Landes der Reinen“ zeigen.